Urne, Vase oder doch ein früher Kühlschrank?

Archäologisch interessante Funde hat es auf Sylt schon oft gegeben. Das Faible für die Hobby-Archäologie teilen dabei Alt und Jung gleichermaßen. Martin Lange fördert bisweilen nicht nur ein Stück Geschichte ans Tageslicht, sondern auch die Neigungen von Kindern diese kennen zu lernen.

Hatten viel Spaß: Die Kinder-Freizeitgruppe aus Braderup, Anja Bachmann und Martin Lange mit dem archäologischen Fund in der Schubkarre. Foto: Jakat

Westerland/Sylt (aja) - Gold, Silber und Perlen – wenig regt die Fantasie von Alt und Jung so an wie verschollene Schätze aus vergangener Zeit. Diese zu entdecken gilt als Krönung jeder Archäologen-Laufbahn. Bei Hobby-Archäologe Martin Lange ist es ab und zu auch ein vermeintlicher Urnenfund, der Spannung aufkommen lässt.

So war es Ende der vergangenen Woche mal wieder soweit. Es galt ein Tongefäß zu untersuchen, das vermutlich aus der Eisenzeit stammt. Dabei handelt es sich um ein Fundstück aus Kampen. Das hatte der Sylter Bernd Radke im März gefunden und gemeinsam mit Martin Lange geborgen, der sonst auf Sylter Baustellen die archäologische Sachlage überprüft. Als Vertrauensmann des Archäologischen Landesamts in Schleswig hat Martin Lange die Lizenz zum Buddeln und Bergen.

Damit das Gefäß von circa 55 Zentimetern Höhe und 40 Zentimetern Durchmesser beim Transport nicht zerbricht, hatte Lange es mit Klebeband bandagiert und so gleichzeitig fixiert. Zur Anfertigung eines genauen Fundberichts wird untersucht und enträtselt, welche Funktion es einst hatte: Urne, Vase - oder war es doch ein früher Kühlschrank?

Um dem Geheimnis auf die Spur zu kommen versammelte Martin Lange viele kleine Helfer um sich. Die Kinder-Freizeit-Gruppe der Naturschutzgemeinschaft Braderup half mit voller Begeistzerung, die Erde, die sich im inneren des „großen Suppentopfs“ befand, herauszuholen. Mit großer Vorsicht wurde gespült, gesiebt, gepinselt und gekratzt.

„Wir haben bereits letztes Jahr gemeinsam ein Gefäß geöffnet. Das interessiert die Kinder brennend. Martin Lange ist ein Vorbild für die Gruppe“, weiß Erzieherin Anja Bachmann, die die „Naturschutzbande“ betreut, der insgesamt 19 Kinder im Alter von 6 bis 15 Jahren angehören.

„Ist das eine Scherbe?“, fragt ein kleiner, aufmerksamer Teilnehmer des großen Ereignisses, um das winzige Fundstück anschließend gewissenhaft in einen der nummerierten Plastikbeutel zu stecken. Die einzelnen Teile werden später einmal von Martin Lange nach Schleswig gebracht und dort wieder zusammengesetzt. „Die Kinder sollen ihre Sylter Natur besser kennen lernen“, sagt Melanie Steur, die in Braderup ein freiwilliges ökologisches Jahr absolviert und die Gruppe auf der archäologischen Exkursion in den Vorgarten von Martin Lange begleitet hat.

Nach und nach stellt sich heraus, dass es sich bei dem rund 50 Kilo schweren Gefäß nicht um eine Urne handelt. Statt Knochenüberresten und Beigaben befanden sich im Gefäßinneren lediglich Sand, Steine, Tonscherben und der Deckstein. Ein kleiner Mühlstein, der einst als Deckel diente. „Hier ist ein Henkelansatz zu erkennen, doch es ist eigentlich kein schönes Gefäß. Es ist eine grobe Arbeit ohne Verziehrungen und sehr dünnwandig“, stellt Lange fest.

Doch niemand war enttäuscht. Dafür hatten alle Beteiligten viel zu viel Spaß bei der Aktion. Und den Reiz der Sache brachte Martin Lange auf den Punkt, als er sagt: „Es ist wie bei einer Wundertüte, man weiß vorher nie, was drin ist.“

(Erscheinungsdatum: Montag, 29.03.2004 / Sylter Rundschau)

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