Überlebenstraining für den Ernstfall

Wer in ein Fugzeug steigt, sollte die wichtigsten Überlebensregeln kennen. Das dachte sich auch das Team von Sylt Air. Mit zweitägigen Kursen zum Thema Überleben See" werden Laien von Flug-Experten in Theorie und Praxis fachkundig fit gemacht für den Ernstfall.

Mit Mühe erkämpft: Der Einstieg in die leuchtend rote Rettungsinsel im Lister Schwimmbecken. Foto: Jakat

List/Sylt (aja) - Es ist eine nasse Angelegenheit. Doch Kai-Uwe Breuel von der Firma „Sylt Air“ ist überzeugt von der lebensrettenden Wichtigkeit der Praxis-Übungen zum Ausbildungsthema „Überleben See“, die er leitet.

„Grundsätzlich ist jede Rettungsübung bei uns freiwillig“, sagt der Berufspilot, um dann scherzhaft festzustellen: „Das Proben des Ernstfalls im sicheren Becken macht den Leuten aber zu viel Spaß - wir sollten vielleicht doch mal in der Nordsee üben.“

Vier Biologen und eine Pilotin nehmen an dem Paxis-Teil der Überlebens-Trainigsmaßnahme im Hallenschwimmbad der Lister Marineversorgungsschule teil. Bei See-Zählungsprogrammen von Küstenvögeln und Meeressäugetieren gehören die Wissenschaftler regelmäßig zur Besatzung niedrig fliegender, zweimotoriger Propellerfugzeuge.

Die Auseinandersetzung mit Fragen zum richtigen Verhalten in Gefahrenmomenten kam bei ihnen bisher zu kurz. Nun lernen sie, was zu tun ist, um schnell und koordiniert aus einem Flugzeug herauszukommen. Und wie man das Überleben in der See nach einem Notausstieg sichert.

Die zwei Frauen und die drei Männer sind zwei Stunden lang engagiert bei der Sache. Um sich an das nasse Element zu gewöhnen, schwimmt die Gruppe zuerst ein paar Bahnen. Danach steht Streckentauchen auf dem Plan. Karl-Jörg Wegener, Tandem-Fallschirmspring-Experte bei „seventhsky“, gleitet durch das 25-Meter-Becken ohne Luft zuholen. Der ehemalige Marine-Kampfschwimmer betreut die fünf Kursteilnehmer für „Sylt Air“ im Wasser. Unterstützt wird er von zwei Tauch-Kollegen, die in kompletter Froschmannkluft langsam im hinteren Hallenbereich auf 3,40 Meter Tiefe abtauchen.

Für die Gruppe steht indes Schwimmen mit Bekleidung auf dem Plan. Am Beckenrand werden grüne Flieger-Overalls übergestreift. Danach heißt es wieder für alle ab ins Wasser. Das „Sea Survival Training“ beginnt mit einer Partnerübung: Abschleppen bei Notfall. „Das dient der Erhöhung der Körpertemperatur und auch die Muskulatur wird angewärmt. Außerdem wird so erkennbar, auf wen wir aufpassen müssen. Individuelle Betreuung ist uns wichtig“, betont Breuel.

Die nächste Übung beweist, dass der eigene Flieger-Anzug im Notfall eine prima Schwimmhilfe sein kann. Mit angelegtem Kinn blasen die Teilnehmer kräftig Atemluft in den Halsausschnitt des Overalls bis sich das Kleidungsstück prall gefüllt hat. Ohne abzusinken treiben sie minutenlang an der Oberfläche. Breuel erläutert: „Man sollte bereits vor dem Flugzeugstart in Richtung Überleben denken. Entsprechende Kleidung auswählen und überlegen, welche Ausrüstung man beim Fliegen über See mitnimmt. Mit T-Shirt und Shorts lässt sich keine Schwimmweste improvisieren."

Es gibt auch Spezial-Kleidung deren Gebrauch geübt werden muss. Zu den grell-orangefarbenen Kälteschutzanzügen gehört ein Ausrüstungsgurt, an dem sich ein Notsignal befindet. Und im Wasser stellt das Anlegen von Handschuhen und Haube erhöhte Anforderungen an das Geschick jedes Einzelnen.

Am Schwimmbeckenrand dicht beieinander sitzend, bespricht Breuel mit der Gruppe den Ablauf zum Einsatz der Rettungsinsel. Wie eine voluminöse Reisetasche trägt Karl-Jörg Wegener das schwere Rettungsgerät zum Wasser. Ein kräftiger Ruck an der Reisleine aktiviert eine CO2-Flasche. Daraufhin entfaltet sich in Sekundenschnelle die vollautomatisch aufblasbare Rettungsinsel.

Augenblicklich schwimmt ein rotes Gummizelt im blauen Wasser, das sich leicht auf den Wellen wiegt. Eine erste Gruppe springt ihm in voller Kälteschutz-Montur hinter. Es spritzt hoch über den Beckenrand, als die drei auf der Wasseroberfläche aufklatschen.

Nacheinander versuchen alle in den kreisrunden Einstieg der Rettungsinsel zu gelangen. Eine Kraftanstrengung, die nicht jedem sofort gelingt. Nachdem dann noch das korrekte Aufrichten der Insel geprobt wurde sind alle erschöpft und darüber einig: „das war super“.

„Wir konnten am gestrigen Theorie-Tag sogar Magnesium-Fackel und Leuchtkugeln ausprobieren“, lobt der Biologe Thomas Grünkorn. Und Philipp Schwemmer, ein Fachkollege, bekräftigt: „Wir haben dieses Trainings-Angebot dankbar angenommen. Es ist eine interessante Erfahrung, die das eigene Sicherheitsgefühl erhöht. - Gut zu wissen, wie es im Notfall sein könnte.“

Dass das Echo auf die Überlebens-Ausbildung von Anfang an positiv war, freut Breuel. Doch in erster Linie ist für den einstigen Tornado-Navigator ein anderer Punkt wichtig: „Wir wollen die Angst nehmen. Indem wir die Leute theoretisch schulen und zugleich praktisch mit Rettungsgeräten umgehen lassen baut sich neben Wissen auch Vertrauen auf. Das kann bei einer Notwasserung Gefahrenquellen minimieren und gefährliche Fehler verhindern.“

(Erscheinungsdatum: Freitag, 05.03.2004 / Sylter Rundschau / Rubrik: Aus der Region)

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