Literarische Nacht im Kunst:Raum Sylt-Quelle

Der siebente "Kampener Literatursommer" fand mit einer abendfüllenden Lesung dreier Autorinnen im Kunst:Raum Sylt-Quelle seine spannende Fortsetzung: Felicitas Hoppe, A.L. Kennedy und Juli Zeh bildeten eine prominente literarische Abordnung, die überzeugte und neugierig machte auf mehr.

Prominentes literarisches Trio im Kunst:Raum Sylt-Quelle: Felicitas Hoppe, Alison Louise Kennedy und Juli Zeh (v.r.n.l.). Foto: Jakat

Rantum/Sylt (aja) - Man kann nicht sagen, dass die Kultur im Sommer auf Sylt zu kurz kommt. Wahr ist, dass es ein beachtenswertes Angebot an Kabarett, Konzerten und Kunstausstellungen gibt. Außerdem spielt die Literatur auf der Insel zurzeit eine große Rolle.

Kulturelle Vielfalt spiegelte denn auch am Donnerstagabend der international ausgerichtete Kulturraum Sylt-Quelle. Dort gab es eine Abend füllende Lesung mit drei prominenten Autorinnen: Felicitas Hoppe, A.L. Kennedy und Juli Zeh bestritten im Rahmen des siebten „Kampener Literatursommers“ gemeinsam die so genannte „Lange Nacht der Autoren“, die der Übersetzer Ingo Herzke moderierte und der Sylter Saxophonist Thomas Vester mit Jazz-Einlagen rahmte.

Großen Zulauf fand das Lesetreffen bei Gastgeberin Indra Wussow. Über siebzig Literaturfreunde waren gekommen. Und für die wurden die drei Stunden zu einer spannenden literarischen Exkursion.

Den Auftakt machte Felicitas Hoppe, die aus ihrem jüngst erschienen Roman „Verbrecher und Versager“ las. Ein glänzender Titel wie sich herausstellte, weil er schon die ganze Problematik des Textes andeutet. In fünf Männer-Porträts beschreibt Hoppe die Hoffnungslosigkeit und Sehnsucht von so genannten gescheiterten Existenzen, die ihre Heimat gezwungenermaßen und fluchtartig verlassen haben. Untertauchen aus „guten“ Gründen musste auch Schiller-Freund Franz Kapf, „der ungekrönte König der Schulden“, dessen Untergang als Soldat in Afrika, „mit einer Uniform wie zum Sterben gemacht“, von der Wahl-Berlinerin in ausdrucksstarken Textbildern beschrieben wird.

„I`m not emotional“, erklärt die sadomasochistische Radiosprecherin und Protagonistin Jennifer Wilson noch zu Beginn des bizarren Liebesromans „Also bin ich froh“ von A.L. Kennedy, mit der der Leseabend seine Fortsetzung fand. Die Schottin inszenierte einige ihrer hintersinnigen Textpassagen mit mitreisender Stimme in englischer Sprache. Ingo Herzke, der den bereits 1995 in England erschienen Roman übersetzt hat, stellte das Buch anschließend mit einem Auszug aus der aktuellen deutschen Ausgabe vor.

Dass sich die kühle Jennifer im Romanverlauf in die historische Figur des glühenden Freigeistes Cyrano de Bergerac verliebt, baut ein inhaltliches Spannungsfeld auf, das den Reiz der fantastischen Geschichte bestimmt und diese zumindest dem Anschein nach mit Glaubwürdigkeit ausstattet.

Beim Reisebericht “Die Stille ist ein Geräusch“ von Juli Zeh, der Sylter „Inselschreiberin 2004“, wollte indes der Funke nicht so recht überspringen. Zeh konfrontierte die Zuhörer mit Fragmenten des Stimmungsbildes in Bosnien-Herzegowina, wie sie es auf ihrer Fahrt mit Hund und Rucksack im Sommer 2001 erfahren hatte. „Die Bosnier fühlen sich von der Welt verlassen – ich versuche Anwalt der Menschen dort zu sein“, sagte die Volljuristin aus Leipzig in der sich anschließenden Fragerunde, die den Abend beschloss.

Sie habe während ihrer Reise durch das versehrte Land versucht „Geschichte zu begreifen“ und dabei „Fehlvorstellungen“ überarbeitet, sagte Zeh. Der Theorie, dass sich Bosnien nicht für touristische Reisen eigne setzte sie resümierend entgegen: „Das Buch ist mit Humor geschrieben und ironisiert sehr stark. ... Es geht darum zu sagen, hier ist alles vorbei, das Land ist wunderschön - und die Stimmung an der Uni ist besser als in Deutschland, zumindest an der juristischen Fakultät.“

Neugierig gemacht auf mehr, nutzen einige Besucher der kurzweiligen Lesung die Gelegenheit, um sich am Büchertisch mit einem neuen Buch einzudecken. Gut zu wissen, dass die nächste „Literarisch Nacht“ in Rantum schon Anfang September stattfinden soll.

(Erscheinungsdatum: Samstag, 17.07.2004 / Sylter Rundschau)

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