Sonst läuft nichts: Flirten will gelernt sein

Flirten liegt immer im Trend und hat mit Praxis, Lernen und Erfahrung zu tun. Und Flirten stand auch am Samstag hoch im Kurs. Zum einen weil Valentinstag war. Zum anderen weil die Volkshochschule einen Kursus anbot, der einer gemischten Gruppe 20- bis 73-jähriger Sylter den souveränen Umgang mit gefühlsbetonten Situationen beibringen sollte.


Flirten vor der Videokamera: Flirtkurs-Leiterin Dörte Hillig beim Filmen eines Rollenspiels. Fotos: Jakat

Westerland/Sylt (aja) - Flirten ist eine ganz spezielle Kunst, die gelernt sein will. Dörte Hillig beherrscht nicht nur das große Flirt-ABC, sondern sie leitet VHS-Kurse, in denen man lernt dürftige Flirtkenntnisse zu verbessern, damit sich zu gelegener Zeit tatsächlich ein gelungener Flirt einstellt.

Das Flirtlust und Flirtfrust nah beieinander liegen, dass weiß die Schweriner Diplomlehrerin aus vielen Gesprächen mit Flirt-Freunden. Von denen hat jeder den Wunsch nach mehr Begegnungen und Beziehungen. Wenn diese nicht automatisch klappen, bleibt einem nichts anderes übrig, als zu lernen Mimik, Gestik und Gespräch absichtsvoll und zielbewusst einzusetzen.

Die 46-Jährige überblickt genau die Schwierigkeiten ihrer Kursteilnehmer, Leute kennen zu lernen, Beziehungen erfolgreich aufzubauen und diese auch zu erhalten. Und die zweifache Mutter weiß auch um deren Wichtigkeit, denn bei den meisten Flirt-Interessenten hängen Glück und Zufriedenheit von guten Kontakten und Beziehungen zu Kollegen und Nachbarn, Freunden, der Familie und dem Partner ab.

Die 59-jährige Margarete erzählt offen, sie habe vor allem den Wunsch gehabt im Flirtkurs „Geh-Hilfen“ zu bekommen. Ja, sie hat ein paar neue Tipps und Tricks mitnehmen können, um fortan gefühlsbetonten Situation besser gewachsen zu sein. Sie ist Teilnehmerin in einer bunten Gruppe von insgesamt zehn Frauen und Männern der Altersklassen 20 bis 73 Jahren, die, versammelt in der Aula der Hauptschule, seit Stunden gemeinsam das Flirten einstudieren. Hier ist „learning by doing“ angesagt und die Hürde von vermeintlich peinlicher Berührtheit ist auch dem Schüchternen rasch genommen.

Selbst beim Rollenspiel vor der Videokamera zeigen Enrico und Dina keine Verunsicherung mehr. Das Flirt-Experiment beginnt in gegenseitigem Einvernehmen über die Spielsituation mit verlegenem Lächeln. Doch mangels gegenseitiger Sympathie endet die inszenierte Zugfahrt ohne Flirt-Erfolg. Beide haben sich im Gesprächsverlauf zurück gezogen. Dina hatte auf ein verbindliches Kompliment von Enrico gewartet – das aber blieb aus und so war der kritische „point of no return“ bald erreicht.

Dinas deutliches Wegrücken und Enricos verschränkte Arme signalisieren Ablehnung anstatt Interesse, analysiert Dörte Hillig, hauptberuflich Direktorin der VHS Parchim, das Wechselspiel zwischen direkter und indirekter Kommunikation, indem sie die Hinweise Körpersprache und Wahrnehmungsmuster der Akteure dechiffriert.

Schließlich sei es für einen Flirt förderlicher, wenn man trotz Gefühlen von Hemmung, Angst und Schüchternheit auf jemanden zugeht. In die persönliche Bannzone eines Menschen eindringen zu dürfen, sei ein sicheres Zeichen dafür, dass für einen selbst „die Türen ein bisschen offener“ sind.

Spielkulisse Museum: Helmut (65) und Uta (73) versuchen ihren Flirt möglichst entspannt anzugehen. Sie wollen nett plänkeln, nicht plump baggern. Aber das ist schwierig. Wie geht das überhaupt? Dörte Hillig weiß Rat: Lieber im Gespräch banal sein, als verkrampft. Und wenn es das Wetter ist, na und! Laut Flirt-Barometer ist der Small Talk ein Muss bei der Kontaktaufnahme.

Nach den Flirt-Übungen steht ein Entspannungsspiel zur Auflockerung an. Sphärische Musikklänge gehören auch dazu. Dörte Hillig dämmt das Licht. Paarweise stellen sich die Teilnehmer im Kreis auf, berühren sich am Rücken und spielen „Landkarte Deutschland“.

Dass glückliches Flirten für alle möglich ist, beweist später eine von Dörte Hillig geleitete Fantasie-Flirt-Reise zum Abschluss des Kurses, bei der die Teilnehmer aufgefordert sind, sich eine romantische Begegnung zu suggerieren. Voraussetzung auch hierfür ist allerdings, dass man kreativ ist und offen für einen Flirt. Dann bestehen gute Chancen seinem Wunschpartner in Gedanken zu begegnen.

Am Ende des Kurses stellt sich die Frage, ob die Kunst des Flirtens nicht gerade darin besteht, das stets neue Spiel des Begehrens mit all seien Überlegungen und Ideen, Vorstellungen und Erfahrungen zu genießen und auszureizen – ohne kluge Kontroll-Strategien und trotz aller Risiken, Gefahren und Unsicherheiten.

(Erscheinungsdatum: Dienstag, 17.02.2004 / Sylter Rundschau)

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