Künstlerischer Dialog mit Vergangenem

Der Kunstraum:Sylt Quelle zeigt Kimberly Austins Foto-Installation „Adam & Edna“. Die Einzelausstellung präsentiert fotografisch umgesetzte Zeitdokumente, die die konfliktreiche Beziehung der Großeltern der Künstlerin beleuchten. Eine biografische Rückschau, die mit Vergangenem auch aktuelle Rollenprobleme zwischen Mann und Frau erfasst.

Präsentiert die Geschichte ihrer Großeltern künstlerisch: die Amerikanerin Kimberly Austin. Foto: Jakat

Rantum/Sylt (Angelika Jakat) - Mit einer Foto-Vernissage eröffnete der Kunstraum:Sylt-Quelle am Ostersonntag ein neues Ausstellungsprogramm: Unter dem Titel „Adam & Edna“ werden Foto-Installationen der Amerikanerin Kimberly Austin präsentiert.

Austins jüngste Werkgruppe erscheint auf den ersten Blick recht unspektakulär – kleinformatige Fotos und Briefserien verlieren sich fast auf den Wänden des Quellenhauses. Ein junger Mann ist zu sehen, Austins Großvater Adam, in Jeans und weißem Hemd mit aufgerollten Ärmeln. Er steht auf einem Holzsteg, die Hände in den hinteren Hosentaschen vergraben. Daneben das Foto seiner Frau Edna. Mit schulterlangem Haar, hellen Söckchen und flachen Schuhen. Die linke Hand hält den Saum ihres gemusterten Kleides. „First Time“, ist der Titel dieser Collage, die neben einer Naturkulisse im Hintergrund (Bäume und Seeufer) eine zweite Ebene aufweist.

Eine blass-graue Handschrift überzieht beide Aufnahmen mit Textzeilen in englischer Sprache. Es sind die schriftlichen Spuren eines jahrelang andauernden, konfliktreichen Ringens der Großeltern um gegenseitiges Verstehen und Selbstbestimmung außerhalb gängiger Geschlechterklischees im Amerika der 40-er und 50-er Jahre.

Die Bildinformationen der Fotos erinnern an jene Zeit scheinbar glücklicher Zweisamkeit, werden aber sogleich durch die Textinformationen widerlegt. Tatsächlich handelt es sich um Briefe an und von Edna, die ihre emotional-seelische Zerrissenheit widerspiegeln ebenso wie das Leiden des von seiner Frau verlassenen Mannes. Hier liegt die Wirkkraft des inhaltlichen Spannungsfeldes der Ausstellung, das angesiedelt ist zwischen gesellschaftlichem Ideal und innerfamiliärer Wirklichkeit

In Form von Holzboxen fordern die Foto-Text-Collagen die Aufmerksamkeit des Betrachters. Dessen Wille zur Auseinadersetzung wird insbesondere durch die handschriftlichen Brieftexte herausgefordert, die sich, nachträglich fotografisch kopiert, nun als Textserien an der Wand präsentieren.

Aquarell- und Transparentpapier dienen Austin als Fototräger, auf die sie ihre Motive überträgt. Mittels Hitze und Druck werden beide Materialien in einer Presse zusammengeführt und anschließend mit einer Firnis überzogen. Die bräunliche Färbung der Aufnahmen rührt von der Van Dykeschen-Belichtungstechnik her, die Austin gezielt einsetzt, weiß ihr Kölner Galerist Ralf Seippel.

Zu sehen sind alte Familienfotos der 39-jährigen Künstlerin. Größtenteils Personenporträts und vergrößerte Detailaufnahmen, die Austin neu arrangiert – stets im Rückgriff auf ihre Familiengeschichte von 1939 bis 1958. Ein Teil der Fotos entstand als Edna ihren späteren Mann Adam kennen lernte, während gemeinsamer Ausflüge des Paares und nach der Geburt der Tochter, Kimberly Austins Mutter.

Edna habe den Großvater mehrfach verlassen und einige Liebhaber gehabt, erläutert Kimberly Austin. Ihre Großmutter habe sich weder in die Rolle der Hausfrau noch in die der Mutter eingefunden. Ihr Großvater habe nie viel über diese Zeit gesprochen. Erst nach seinem Tod seien die Erinnerungsstücke dieser gescheiterten Ehe in einer alten Kiste gefunden worden.

Austin porträtiert und reflektiert ihre Familiengeschichte. Indem sie Zeugnisse der Vergangenheit neu zusammensetzt, schafft sie nachträglich Erklärungs- und Beziehungsmuster mit emotionaler Wirkung. So überraschte die Künstlerin aus San Francisco die Besucher mit technisch spannenden Fotoarbeiten und tragischen Familiendetails, die in der Ausstellung nachvollziehbar werden.

(Erscheinungsdatum: Mittwoch, 14.04.2004 / Sylter Rundschau)

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